Das Podium des Dirigenten als einen Ort der Bewegung aufzufassen und das Wesen der Musik einmal nicht dirigierend, sondern im Dialog mit der Musik tänzerisch umzusetzen, ist die Ausgangsidee dieses Solos zur Bratschensonate von Bernd Alois Zimmermann, einem der herausragenden deutschen Komponisten der musikalischen Avantgarde (1918 – 1970). Eine Voraufführung fand zum 100 – jährigen Jubiläum des Komponisten in seiner Geburtsstadt Erftstadt für die Bernd-Alois-Zimmermann-Gesellschaft mit dem Violinisten/ Bratschisten Peter Stein statt. Die Premiere zeigte das ACHT BRÜCKEN Festival in der Kölner Philharmonie mit dem Bratschisten Mathias Buchholz im Konzert „...an den Gesang eines Engels“ der Hochschule für Musik und Tanz Köln am 1. Mai 2018. Während des Entstehungsprozesses der Sonate für Viola als Requiem starb die neugeborene Tochter des Komponisten. Ausgehend von einem Choral, zu dem sich die zerissenen komplexen Klänge zusammenfinden gilt diese Sonate als das bedeutendste Werk für Bratsche solo seit 1955 bis heute. Eine Herausforderung für HörerInnen, die Neue Musik nicht gewöhnt sind. Die Choreografie Britta Lieberknechts deckt die physische Substanz hinter der geistig anspruchsvollen Partitur auf und hilft, ihre organische und gefühlvolle Ebene wahrzunehmen. Trauer, Verlust und Hoffnung zeigt Barbara Fuchs mit bildstarkem Körperausdruck in einem imaginären Resonanzraum mit der komplexen Musik. „Mit reduzierten Bewegungen schafft sie eine Interpretation des Trauerprozesses des Komponisten, die mit den Klangfiguren spannungsvoll zusammenwirkt.“ (Rezension s.u.) Sie beginnt hinter dem Bratschisten stehend, ihn berührend, mitschwingend - oder als Engel führend?- und legt sich auf das Podest mit den gekreuzten Beinen himmelwärts. Ihr bildstarker, manchmal skulpturenhafter Tanz ist abstrakt und lässt der Musik Raum. Musiker und Tänzerin wirken verbunden, jeder könnte der Engel des anderen sein. Gemeinsam schaffen sie magische Momente. Dank an ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln und der Bernd-Alois-Zimmermann-Gesellschaft
Kölner Stadtanzeiger (Rainer Nonnenmann) ACHT BRÜCKEN I Werke von Zimmermann im „Freihafen“ - ProgrammKompletter Auszug aus der Rezension des Festivalprogramms„Einen ganz eigenen Kontrapunkt zu den von Hannah Weirich und Mathias Buchholz meisterhaft gespielten Zimmermann – Solosonaten für Violine beziehungsweise Viola setzte die Choreographin Britta Lieberknecht. Sowohl frei als auch in erkennbarer Anlehnung an musikalische Gesten, Rhythmen, Tempi und Energiezustände bewegten sich die Tänzerinnen Neus Barcons Roca und Barbara Fuchs wahlweise akrobatisch, expressiv oder mit Tändelnder Leichtigkeit.“
Tanznetz.de (Christina – Maria Purkert) Die Engel hörenZu beiden Sonaten:„Das Dirigentenpodest gehört der Tänzerin. Es ist ihre Spielfläche. Denn die Orchesterstühle sind leer, das Podest ist frei. Nur die Tänzerin und ein Solist treten auf. Sie tut das Gegenteil von dem, was ein Dirigent oder eine Dirigentin an dieser Stelle täte: sie lenkt nicht Musiker und ihre Instrumente mit ihren Gesten und Haltungen, sie lässt sich bewegen von dem, was ein Musiker in einem und eine Musikerin im anderen Fall spielen... Zu wünschen wäre es, dass diese puristischen, konzentrierten und anrührenden Soli noch viel mehr Publikum bekämen.“ Zur Sonate für Viola solo „..an den Gesang eines Engels“„Am Anfang legt Barbara Fuchs ihre Hände an den Rücken des Bratschisten Matthias Buchholz. Erspürt sie seinen Atem, seine Bewegung oder ist sie sanfte Führerin, Engel, der begleitet? Wenn sich die Tänzerin vom Musiker löst und in ihren kleinen beschränkten Raum geht, nimmt sie mehr die innere Schwingung mit als die äußere Bewegung, die sie erspürt hat...Schmerz und Leid werden hier als Emotionen sehr viel konkreter fassbar als in dem anderen Solo – doch auch hier hütet sich Britta Lieberknecht vor Klischees. Wie in der zweiten Choreografie will sie weniger eine äußere Form für Gefühl finden, als die innere Bewegtheit erspüren, die die Musik auslöst. Damit ist sie der Mystik, die höchste religiöse Erfahrung im Inneren und letztlich in der Abstraktion sucht nahe. In der Umsetzung gelingt es Barbara Fuchs sehr feinfühlig, innere Bewegtheit zu zeigen, die Zartheit tiefer Gefühle nicht mit großen expressiven Gesten zu über- und verzeichnen. Als sie nach dem letzten Ton langsam in kleinen Wellen ihre Arme und Hände ausschwingt ist das Publikum so still und konzentriert wie sie selbst. Lauschend auf den feinen Gesang eines Engels.“
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Sonate für Viola solo „...an den Gesang eines Engels“Komposition: Bernd Alois Zimmermann 1955
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